O Welt, sieh hier dein Leben

1. O Welt, sieh hier dein Leben / am Stamm des Kreuzes schweben, / dein Heil sinkt in den Tod. / Der große Fürst der Ehren / lässt willig sich beschweren / mit Schlägen, Hohn und großem Spott.

1:  O Welt, sieh hier dein Leben / am Stamm des Kreuzes schweben, / dein Heil sinkt in den Tod. / Der große Fürst der Ehren / lässt willig sich beschweren / mit Schlägen, Hohn und großem Spott.

2:  Tritt her und schau mit Fleiße: / Sein Leib ist ganz mit Schweiße / des Blutes überfüllt. / Aus seinem edlen Herzen / vor unerschöpften Schmerzen / ein Seufzer nach dem andern quillt.

3:  Wer hat dich so geschlagen, / mein Heil, und dich mit Plagen / so übel zugericht’? / Du bist ja nicht ein Sünder / wie wir und unsre Kinder, / von Übeltaten weißt du nichts.

4:  Ich, ich und meine Sünden, / die sich wie Körnlein finden / des Sandes an dem Meer, / die haben dir erreget / das Elend, das dich schläget, / und deiner schweren Martern Heer.

5:  Ich bins, ich sollte büßen / an Händen und an Füßen / gebunden in der Höll. / Die Geißeln und die Banden / und was du ausgestanden, / das hat verdienet meine Seel.

6:  Du nimmst auf deinen Rücken / die Lasten, die mich drücken / viel schwerer als ein Stein. / Du wirst ein Fluch, dagegen / verehrst du mir den Segen; / dein Schmerz muss mir ein Labsal sein. Gal 3,13

7:  Du setzest dich zum Bürgen, / ja lässest dich gar würgen / für mich und meine Schuld. / Du lässt dich für mich krönen / mit Dornen, die dich höhnen, / und leidest alles mit Geduld.

8:  Ich bin, mein Heil, verbunden / all Augenblick und Stunden / dir überaus und sehr. / Was Leib und Seel vermögen, / das will ich gerne geben / allzeit zu deinem Dienst und Ehr.

9:  Nun, ich kann nicht viel geben / in diesem armen Leben, / eins aber will ich tun: / Es soll dein Tod und Leiden, / bis Leib und Seele scheiden, / mir stets in meinem Herzen ruhn.

10:  Ich wills vor Augen setzen, / mich stets daran ergötzen, / ich sei auch, wo ich sei. / Es soll mir sein ein Spiegel / der Unschuld und ein Siegel / der Lieb und unverfälschten Treu.

11:  Wie heftig unsre Sünden / den frommen Gott entzünden, / wie Rach und Eifer gehn, / wie grausam seine Ruten, / wie zornig seine Fluten, / will ich aus diesem Leiden sehn.

12:  Ich will daraus studieren, / wie ich mein Herz soll zieren / mit stillem, sanftem Mut, / und wie ich die soll lieben, / die mich doch sehr betrüben / mit Werken, so die Bosheit tut.

13:  Wenn böse Zungen stechen, / mir Ehr und Namen brechen, / so will ich zähmen mich. / Das Unrecht will ich dulden, / dem Nächsten sein Verschulden / verzeihen gern und williglich.

14:  Ich will mich mit dir schlagen / ans Kreuz und dem absagen, / was meinem Fleisch gelüst’. / Was deine Augen hassen, / das will ich fliehn und lassen, / so viel mir immer möglich ist.

15:  Dein Seufzen und dein Stöhnen / und die viel tausend Tränen, / die dir geflossen zu, / die sollen mich am Ende / in deinen Schoß und Hände / begleiten zu der ewgen Ruh.